Mein Distrikt Kapuas Hulu liegt im Zentrum der Insel Borneo, in einem Gebiet was oft auch als “The Heart of Borneo” bezeichnet wird. Kapuas Hulu ist einer der waldreichsten Distrikte in ganz Kalimantan (indonesische Teil der Insel Borneo) und ueber die Haelfte der Distriktflaeche steht unter Schutz. Das groesste Schutzgebiet ist der Betung Kerihun Nationalpark mit einer Flaeche von ueber 800.000 ha tropischem Primaerwald. Waehrend dieser Park, auch aufgrund seiner schwierigen Topographie und seiner Entfernung zu Strassen, relativ gut geschuetzt ist, sieht es in vielen anderen Teilen von Kapuas Hulu nicht so gut aus.
In Indonesien wurde und wird Wald sehr oft als eine Ressource gesehen, die man nutzen muss, um sich zu entwickeln. Mit Nutzen wird hier v.a. das Abholzen und Verkaufen der Urwaldriesen und/oder Konvertieren der Flaechen in landwirtschaftliche Nutzflaeche/Plantagen verstanden. In der Zeit der Neuen Ordung (Orde Baru) unter Suharto (bis 1998) wurden grossflaechig Einschlagkonzessionen an regierungs- und militaernahe Konzerne vergeben, welche sich i.d.R. nicht um Wiederaufforstungsmassnahmen kuemmerten. Nur ein marginaler Teil der Profite und Gebuehren aus dem Holzgeschaeft blieb in der Region, waehrend der Grossteil nach Jakarta abfloss. Grosse Flaechen wurden in dieser Zeit abgeholzt, ohne dass die lokale Bevoelkerung davon profitierte. Immerhin unterstanden und unterstehen fast alle Waldflaechen in Indonesien dem nationalen Forstdepartment und lokale Gruppen hatten wenig Einfluss auf Entscheidungen, welche ueber ihren Wald im fernen Jakarta getroffen wurden. Illegale Abholzung hielt sich durch einen relativ starken und autoritären Polizei- und Militaerapparat allerdings in Grenzen.
Dies aenderte sich nach dem Sturz Suhartos. Mit dem Begin der Reformasi und der Einfuehrung der lokalen Autonomie sahen viele Akteure auf lokaler Ebene ihre Chance, endlich auch etwas vom Kuchen abzubekommen. Neben den noch aktiven Holzkonzessionen aus der Zeit Suhartos begannen nun Lokalbeamte selbst Holzeinschlagsgenehmigungen zu verteilten. Hinzu kam, dass viele lokale private Akteure nun auch straffrei Holz aus dem Wald holten. Das Fehlen etablierter Regierungsstrukturen und die Rechtsunsicherheit in den Anfangsjahren der Reformasi unterstuetzten dies. In Kapuas Hulu, so berichtet man, entstanden in dieser Zeit unzaehlige Logging-Camps, stuendlich fuhren grosse Holztransporter durch Putussibau Richtung der malaysischen Grenze wo sie sich stauten. Aber auch nach Pontianak und Jakarta wurde Holz verkauft. Der Grossteil wurde aber als Stammholz (es ist per Gesetz verboten Stammholz aus Indonesien auszufuehren – damit soll die holzverarbeitenden Industrie gefoerdert und Mehrwert im Land erzeugt werden) ueber die Grenze nach Sarawak (Malaysia) gebracht. Verdient haben daran fast alle. Die Doerfler haben die Baeume geschlagen, tlw. zersaegt und zur Strasse gebracht. Oftmals wurden sogar Arbeiter aus anderen Distrikten nach Kapuas Hulu gebracht, um die schwere Arbeit im Wald zu erledigen. Viele Regierungsangestellte haben gegen ein entsprechendes Bakschisch weggeschaut bzw. es wurden zwischen den Logging-Unternehmern und einflussreichen Personen in der Verwaltung Deals ausgehandelt. Z.B. musste ein mit Holz beladener LKW, der die Grenze passieren wollte 50.000 Rp (damals ca. 6 Euro bezahlen). Auch haben die Holzunternehmer die lokale Bevoelkerung mit dem Bau neuer Langhaeuser, Kirchen etc. als Kompensation fuer sich gewinnen koennen.
Aber viele Personen im Distrikt haben auch indirekt von dem Holzboom profitiert. Sei es als Geldwechsler, Haendler fuer (v.a. Stiehl-) Kettensaegen und alles was man sonst noch im Logging Camp brauchte, Restaurantbetreiber, Hotelbesitzer, Prostituierte, Mopethaendler, Handwerker u.s.w.. In dieser Zeit ist in Kapuas Hulu zum ersten Mal richtig viel Geld in den Distrikt geflossen, es wurde viel konsumiert und nicht wenige sind reich geworden. Allerdings hatte dies einen hohen Preis. Mittlerweile gibt es viele Gebiete in denen kaum noch grosse Baueme stehen und es ist schwierig geworden z.B. Eisenholz, ein extrem hartes und bestaendiges Holz, zu finden. Dieses wird aber z.B. fuer den Bau von Haeusern in dem oft sumpfingen und ueberschwemmten Gelaende fuer Stelzen benoetigt. Grosse Flaechen wurden gerodet bzw. der Wald grossflaechig seiner Urwaldriesen beraubt und damit degradiert.
2005 aendete sich dies schlagartig, als ploetzlich hart gegen illegal operierende Holzunternehmer vorgegangen wurde. Dies muss so schlagartig passiert sein, dass oftmals alles stehen und liegen gelassen wurde. Nur 20 km von meinem Haus habe ich diese Bilder von verlassenen Logging-Gefaehrt und geruecktem und nun vermoderndem Stammholz aufgenommen.
Mit dem harten Durchgreifen gegen die komerziell operierenden illegalen Holzunternehmen ging die “Musim Kayu” – “Die Holzsaison” zu Ende. Wenn man mit Leuten hier spricht, sehnen sich viele nach dieser Zeit der Prosperitaet und des schnellen Geldes zurueck. Selten hoert man Stimmen, welche die nicht nachhaltige Nutzung der Ressource Wald in dieser Zeit und die Folgen daraus fuer die Zukunft ansprechen oder welche gar die negativen Folgen fuer Flora & Fauna sowie fuer die Oekosysteme als Ganze, erwaehnen.
Man sollte aber nicht glauben, dass mit dem Ende der Musim Kayu der illegale Holzeinschlag beendet waere. Lediglich der Export nach Malaysia und Pontianak ist unterbunden worden. Fuer den lokalen Markt wird nach wie vor kraeftig und i.d.R. ohne Lizenz illegal Holz geschlagen. Vorgestern bin ich per Fahrrad ein paar Kilometer von Putussibau Richtung Kalis/Sintang gefahren und entlang dieser ca. 10 Kilometer sieht man ueberall an der Strasse Staemme, Balken und Bretter, fertig fuer den Abtransport liegen, kleine Wege gehen in den schon stark degradierten Wald und alle paar hundert Meter sieht und hoert man ein kleines Saegewerk (oftmals eine nur notduerftig zusammengezimmtere Anlage, tlw. sogar nur eine grosse Plane mit Kreissaege darunter). Das Geraeusch der Kreis-und Kettensaegen hat ohnehin schon laengst den Ruf des Nashornvogels verdraengt. Selten ist der Moment, in dem man keine Kettensaege am Arbeiten hoert. Selbst in ausgewiesenen Schutzwaeldern habe ich oft das Schnarren der Stiehl-Saege vernommen.
Natuerlich braucht man Holz und der Wald in Kapuas Hulu hat hohes Potential genutzt zu werden. Aber dafuer braucht es Regeln und Leute die diese Regeln durchsetzen und kontrollieren. Es waere falsch, die Leute, welche hier jeden Tag schwere Arbeit verrichten, ploetzlich allesamt zu verhaften. Noch gibt es in Kapuas Hulu leider keinen Gemeindewald oder Waldflaechen, welche von der lokale Bevoelkerung aktiv verwaltet und genutzt werden (duerfen). Eigentlich ist somit jeglicher Holzeinschlag durch die lokale Bevoelkerung, welche i.d.R. keine Genehmigung beantragt, illegal. Aber wenn Wald wie ein oeffentliches Gut behandelt wird, man die Gesetze nicht durchsetzt, die diese Ressouce schuetzen sollen, dann fehlt auch die Grundvorraussetzung fuer eine nachhaltige Nutzung dieser. Immerhin moechte man in Indonesien nun das Waldmanagement durch sog. KPHs (Forstaemter) verbessern und Gemeindewald foerdern. Communty Based Forestry ist ein Schlagwort, welches im Moment bei den Forstbeamten in Mode ist. Es bleibt zu hoffen dass moeglichst schnell sinnvolle Waldmanagementformen gefunden und umgesetzt werden. Es koennte sonst in Kalimantan sehr bald zu spaet dafuer sein.