Ich bin zugegebenermaßen kein grosser Fan der Politik. Politik ist eher ein notwendiges Uebel ohne das keine Gesellschaft funktioniert. In Indonesien ist Politik aber ein grosses Thema und ganz besonders im Moment in meinem Distrikt Kapuas Hulu… Denn am 19.5.2010 sind Bupati-Wahlen. Der Bupati ist der Regent/Oberhaupt eines Distriktes. Der Begriff Bupati leitet sich von dem Sanskit-Wort bhûpati ab was soviel wie “Koenig der Welt” oder “weltlicher Herrscher” bedeutet… und so fuehren sich viele dieser gewaehlten Volksvertreter auch auf. Aber dazu spaeter.
Indonesien ist seit dem Sturz des quasi-Diktators Suharto 1998 eine Demokratie. Allerdings noch eine sehr junge und es bedarf noch einiger Anstrengungen um wirklich die “Herrschaft des Volkes” hier umzusetzten. Zuweilen kann man meinen, man befinde sich eher in einer Democrazy und manch einer sehnt sich zurueck nach den alten Zeiten unter Suharto. Man kann sich sicherlich steiten, was die bessere Regierungsform ist. Am Ende halte ich es aber mit Churchill der einmal sagte: “Democracy is the worst form of government, except for all those other forms that have been tried from time to time.”
Nach dem Sturz von Suharto begann die Reformasi, ein tiefgreifender Reformprozess in dem u.a. demokratische Strukturen gestaerkt wuerden und umfassende Kompetenzen des ehemals extrem zentralisitisch regierte Staates, an die Distrikte abgegeben wurden. Dies ist auch unter dem Begriff “autonomie daerah” bzw. lokale Autonomie bekannt.
Im Zuge dessen haben die Oberhaeupter der Distrikte, die Bupatis (bzw. Walikotas in Staedten), sehr viel Macht bekommen. Fast jede wichtige Entscheidung welche hier im Kabupaten getroffen wird, muss vorher ueber seinen Tisch. Zwar hat auch das Distriktparlament grosse Macht, aber der Bupati ist die mit Abstand wichtigste und einflussreichste Person im Distrikt. Seit 2005 werden die Bupatis durch eine allgemeine Wahl fuer 5 Jahre direkt gewaehlt.
Solch eine Macht birgt aber auch Gefahren, und es ist ein offenes Geheimnis, das viele Personen in hoheren Aemtern in irgendeiner Form in KKN (Korupsi Kolusi Neopotisme – Korruption Konspiration Vetternwirtschaft) verwickelt sind. Je weiter weg von Jakarta, und somit der Kontrolle der Zentralregierung, um so wahrscheinlicher. Durch die Lokalautonomie/Dezentralisierung sind auch die Moeglichkeiten der Korruption in den Distrikten gestiegen und man spricht auch manchmal von einer Dezentralisierung der Korruption. Bei Transparency International ist Indonesien derzeit auf Rang 111 der 180 korruptesten Staaten (Corruption Perception Index). Deutschland ist auf Rang 14. Aber immerhin, 2007 lag Indonesien noch auf Rang 143 von 180 Staaten.
Wie dem auch sein, Fakt ist, dass man als Bupati lukrative Einkommensquellen hat und die Kandidaten erhebliche Summen investieren um Bupati zu werden. Der Vater einer guten Bekannten von mir hat mehrere seiner Haeuser und Autos verkauft, um den Wahlkampf seines Bruders in West Timor zu unterstuetzen… allerdings ohne Erfolg. Man kann davon ausgehen, dass manch ein Kandidatenpaar fuer ihren Wahlkampf bis zu mehreren Milliarden Rupiah (mehrere hunderdtausend Euro) investiert. Dieses Geld wird fuer Wahlkampfveranstaltungen, die Unterstuetzung durch Partein (man kann sich bei den Parteien einkaufen), den Kauf von T-Shirts (nach einem Wahlkampf haben ploeztlich viele Leute neue bunte Shirts), das Bezahlen von Gruppen die in den Farben des Kandidaten bemalt und wild Laerm machend in Kolonne mit LKWs, Mopets, Autos und alles was sonst noch rollt, die Strassen hoch und runter fahren. Oftmals werden auch bekannte Persoenlichkeiten oder sexy Saengerinnern und Taenzerinnen fuer die Wahlkampfveranstaltungen engagiert und in den Doerfern kommt es auch vor, dass der Buergermeister seine “Schaefchen” ueberzeugen soll, doch fuer Kandidaten X zu stimmen. Es gibt aber auch noch die ganz plumpe Variante, in der direkt Geld verteilt wird um Stimmen zu kaufen. In der Nacht vor der Wahl gehen die Stimmenkaeufer auf Serang Fajar – Tour (“Morgengrauen Attacke”) und verteilen Geld and die Leute (ist zwar verboten, wird aber dennoch gemacht). Es soll auch schon vorgekommen sein, dass mehr Stimmzettel ausgezaehlt wurden, als Wahlberechtigte im Distrikt leben. Ganz ungefaehrlich ist das alles aber nicht. Wahlkampfveranstaltungen sind ja schon mal ramai (“voll, belebt, ist was los”). Nur das dabei auch krass zum Vorschein kommt, dass viele ihren Fuehrerschein gekauft haben, bzw. keinen haben und wohl noch nie etwas von offiziellen Verkehrregeln gehoert haben. Das hat, wenns eben ramai ist, leider tlw. fatale Folgen. Bei einer Veranstaltung des Kandidaten-Teams AMAN (Amam = Sicherheit) sind diese Woche zwei Menschen ums Leben gekommen. Aber Verkehrsunfaelle sind hier ohnehin noch so ein Thema… Anyway…
Dennoch scheinen die Wahlen im Vergleich zu frueher, nun sauberer abzulaufen.
Und so eine Wahl steht nun in Kapuas Hulu an.
Zur Wahl stellen sich 6 Kandidatenpaare (fuer das Amt des Bupati und des Vize-Bupati), i.d.R. ein Melayu und ein Dayak, was der Bevoelkerungsstrukur welche in Kapuas Hulu ca. 50% Melayu (Islamisch) und zu 50% Dayak (Christlich) Rechnung traegt. Der amtierende Bupati, Pak Drs. H. Abang Tambul Husin steht nicht wieder zur Wahl, da er schon 10 Jahre (zwei Amtszeiten) im Amt war und nicht wiedergewaehlt werden darf. Mit Ruhm bekleckert hat er sich aber in diesen 10 Jahren aber auch nicht. Die aussichtsreichsten Kandidaten sind sein juengerer Bruder sowie der amtierende Vize-Bupati… aber wer weis das schon genau. Anhand der Programme kann man nicht vorhersagen, wer wohl die besten Chancen hat. Diese sagen meist so wenig aus wie ein Stueck Brot. Das Program des Kandidatenpaares 5 sieht zum Beispiel so aus: 1. Infrastruktur, 2. Wirtschaft, 3. Gesundheitsbildung und Familienplanung, 4. Governance, 5. Gesetz, Sicherheit und Menschenrechte, 6. Politik, 7. Kultur und Religion, 8. Jugend und Sport, 9. Tourismus, 10. Natuerliche Ressourcen, Umwelt und Raumordnung, 11. Verbindungen und Telekommunikation, 12. Foerderung der Gesellschaft und der Frauen. … keine Erlaeuterungen, Erklaerungen, Prioritaeten, Summen, Programme,… da kann man gleich sagen “Ich mache alles besser”.. das haette Druckertinte gespart. Aber ok… seine Konkurrenten sind auch nicht viel besser in ihren Programmen. Aber die muessen ja auch viel mehr Aufwand in Sticker, Fahnen, Poster, Autokolonnen und Veranstaltungen stecken. Lesen tut der gemeine Indonesier ohnehin nicht gern. Ich habe ja auch schon an meiner Haustuer die beiden Nasen des “Team AMAN” – u.a. kleine Bruder des amtierenden Bupati – ungewollte angeklebt bekommen. Und bei den Stickern haben sie nicht gespart. Der Kleber hat sich hartnaeckig allen Entfernungsversuchen wiedersetzt. Da kann man nur hoffen, dass das Team AMAN nicht auch so hartnaeckig auf ihren Aemtern kleben bleiben moechte, auch wenn sie keiner mehr da sehen will… aber noch sind sie ja nicht gewaehlt. Im Juni, wenn die Stimmen ausgezaehlt sind wissen wir mehr. Wollen wir hoffen das jemand faehiges, engagiertes und ehrliches die Wahl gewinnt und dass die neuen Programme der Bevoelkerung sowie der Umwelt in ganz Kapuas Hulu kurz-, mittel- und langfristig zugute kommen.