Der Distrikt Kapuas Hulu hat in seinem neuen Langzeit-Entwicklungsplan (RTRWK) Ökotourismus als Kernstrategie festgelegt um welche sich die anderen Schwerpunkte wie Forstwirtschaft, Agrobusiness etc. anordnen sollen. Auch wenn diese Planung aller Wahrscheinlichkeit an der Realität vorbeigehen wird, so ist es zumindest eine schöne Idee und gibt Möglichkeiten das Thema Ressourcenschutz, Teilhabe der lokalen Bevölkerung, Umwelt und nachhaltige Entwicklung bei wichtigen Regierungsentscheidungen zur Sprache zu bringen.
Um so unverständlicher ist, was mir und meinem Kumpel, in Lanjak, dem “nördlichen Tor” zum wunderschönen Danau Sentarum Nationalpark während unserer Radtour im Dezember 2010 widerfahren ist.
In Indonesien muss jeder Tourist, wenn er sich länger als 24 Stunden an einem Ort aufhält bei der Polizei gemeldet werden. Meist reicht es aus Gäste, die bei jemandem übernachten möchten beim Kepala RT (Nachbarschaftsvorsteher) oder eben bei der Polizei zu melden. In touristischen Gebieten übernehmen dies i.d.R. die Hotels bzw. wird diese Regel von allen Beteiligten nicht sonderlich beachtet.
Bei unserer Radtour haben Martin und ich bei der Familie einer Bekannten in Lanjak übernachtet. Allerdings hatten wir uns nicht innerhalb von 24 Stunden, sondern erst gegen 18:30 Uhr, nach unserer Bootstour im Danau Sentraum Nationalpark, also gut 30 Stunden nach unserer Ankunft im Ort bei der lokalen Polizeistation gemeldet.
Nach eingehender Befragung und Durchsicht unserer Pässe meinte der Verantwortliche, dass mit meinen Papieren alles in Ordnung sei, das Martin, der mit einem Forschungsvisum nach Indonesien gereist ist (er war für Felderhebungen auf der Insel Java nach Indonesien gereist) sich aber unbedingt sofort nach seiner Ankunft in Kapuas Hulu auf dem Hauptrevier hätte melden müssen. Nachdem der Beamte nach 15 Minuten Wartezeit aus seinem Hinterzimmer wieder hervorkam bat er uns höflich ihm doch 50.000 Rp (gut 4 Euro) zu geben. Eine Quittung könnte er uns allerdings nicht ausstellen – es ist nicht schwer sich vorzustellen was mit diesem Geld passieren würde. Korruption gibt es in Indonesien überall und es ist auch mit den besten Vorsätzen nicht möglich, sich gänzlich diesem System zu entziehen. Dennoch, Korruption im Polizeiapparat unterstützen geht mir zu weit. Nachdem wir nicht zahlen wollten wurde er unfreundlich und meinte dann nur dass er uns doch helfen würde und wir ihm doch auch helfen sollten. Dies ging dann hin und her und dann meinte er noch dass sich Martin mit seinem Forschungsvisum für Java gar nicht hier in Kalimantan hätte aufhalten dürfen und sich somit strafbar gemacht hat.
Wir waren uns auch nicht zu 100% sicher, ob ein Forschungsvisum tatsächlich nur zum Aufenthalt in der Forschungsregion berechtigt oder ob man sich ganz normal als Tourist in ganz Indonesien bewegen darf, nur eben seine Forschungsaktivitäten nur im ausgewiesenen Forschungsgebiet betreiben darf. Vermuteten aber, dass man sich im ganzen Land aufhalten darf, da ansosten fast jeder ausländische Forscher illegal in Indonesien wäre, da man ja über Jakarta einreisen muss und viele im Krankheitsfall, zum Besuch bei Freunden oder für Urlaub während der Forschungsphase nach Bali oder in andere Landesteile reisen. Aber wie sollten wir dies in unserer Situation recherchieren? Auch der Beamte konnte uns diese Verordung nicht zeigen. Nach weiteren anstrengenden Diskussionen hatte ich dann doch mit Wut im Bauch die 50.000 Rp (ca. 4 Euro) auf den Tisch gelegt (wer weis, wie aufwändig es ist, ein Forschungsvisum zu beantragen kann vielleicht verstehen, dass man unter keinen Umständen riskieren möchte, dieses zu verlieren) und wir konnten gehen.
Eine Stunde später wurden wir aber erneut aufs Revier zitiert (auf Anweisung vom Polizeihauptbüro in Putussibau, die schon telefonisch über den Fall informiert wurden). So konnten wir dann von 9pm bis nach 2am unseren kompletten Reiseverlauf bis ins Detail schildern welchen die Polizeibeamten im 2-Finger-Suchsystem auf ihrem PC in Word eintippten. Natürlich wurden von uns “Verbrechern” auch Fotos angefertigt und meinen in Tinte getränkten Daumen durfte ich auch aufs Papier drücken.
Auch meine Bekannte, bei deren Familie wir übernachteten, musste diese Prozedur über sich ergehen lassen. Unsere Bitte nach einer Kopie der Verhörprotokolle wurde ignoriert.
Irgendwann konnten wir dann gehen (und haben auf Nachfrage sogar die 50.000 Rp wiederbekommen). Allerdings nur unter der Auflage, dass wir uns ab jetzt immer sofort an allen Polizeistationen melden würden und dazu nochmal beim Hauptrevier in Putussibau vorstellig werden.
Aber behandelt man so Touristen, wenn man diese Region touristisch entwickeln möchte?
Über den wahren Grund dieser Schikane kann man nur spekulieren. Sicherlich sind die Polizisten, welche wie in diesem Fall aus Java in die Einöde Kalimantans versetzt wurden, gelangweilt und vielleicht froh “endlich mal was zu tun zu bekommen”. Sie waren sicherlich auch sauer, dass wir auf ihr kleines Korruptionsangebot nicht wie erwartet reagiert haben. Aber der Hauptgrund liegt sehr wahrscheinlich in der angespannten Situation in dieser Regon, welche aus der Entwicklung von Palmölplantagen resultiert. So wurden wir mehrfach gefragt, ob wir uns denn in Badau (dem Zentrum der Plantagenaktivitäten hier) waren oder vorhätten dahin zu reisen und auch auf die “heikle” Situation in dieser Region wurde aufmerksam gemacht. Auch meinten die Beamten, dass nicht alle, die angeben als Tourist zu reisen auch tatsächlich Touristen sind. Die Polizei hat die Aufgabe bekommen, ein besonders wachsames Auge auf alle Ausländer in Kapuas Hulu zu werfen – und ganz besonders auf solche mit Forschungsvisum. Wenn ich im Rahmen meiner Arbeit größere Treffen mit der Dorfbevölkerung organisiere ist immer jemand von der Intelligence (also dem Staatssicherheitsdienst) mit dabei – man könnte der Bevölkerung ja was Falsches sagen. Dieses Misstrauen gegenüber Ausländern hat nochmal einen gewaltigen Schub bekommen, nachdem Greenpeace 2010 den Report “Caught Red-Handed – How Nestlé’s Use of Palm Oil is Having a Devastating Impact on Rainforest, The Climate and Orang-utans” veröffentlicht hat – ein Bericht dessen Fotos hauptsächlich in Kapuas Hulu geschossen wurden.
Statt Touristen grundlos zu kriminalisieren sollten diese Polizeibeamten besser die Visa-Vorschriften studieren, denn wie wir später herausfanden, kann man sich mit einem Forschungsvisum für Java sehr wohl als Tourist auch in anderen Regionen Indonesiens frei bewegen. Bleibt zu hoffen, dass dies ein Einzelfall war, der sich so schnell nicht wiederholen wird. Es wäre zu schade, wenn diese wunderschöne Region und ihre Menschen ihr touristisches Potenzial aufgrund solcher Schikanen und Machenschaften einzelner Akteure verspielen sollten.